„Pegida“ ist tot.
0Februar 10, 2015 by Eike Sauer
Vor vier Wochen, auf dem Höhepunkt der „Pegida“, habe ich diesen Blog eingerichtet. Nicht nur, aber auch wegen und gegen „Pegida“. Danach haben mich leider technische Schwierigkeiten vom Bloggen abgehalten. Und nun, vier Wochen später, ist „Pegida“ so gut wie tot.
Ich habe mich im Verlaufe der letzten Wochen mit mehreren „Pegida“-Anhängern ausgetauscht. Einer am Rande einer „Pegida“-Demonstration in Berlin – ein junger Rechter, aber kein Rechtsextremer, und mit Abstand der intelligenteste von allen -, einer in der Wikipedia – ein Verwirrter, dem es anscheinend ein Rätsel ist, dass nicht alle für „Pegida“ und gegen den Islam sind -, einer bei Facebook und schließlich ein Bekannter, der sich nicht zu „Pegida“ bekannt hat, aber passende Positionen vertritt.
Sowohl der Demonstrant als auch der fremde Facebook-Nutzer haben mir das damals kursierende Positionspapier entgegengehalten, das doch gar nicht so schlecht wäre. Der Demonstrant musste mir direkt zustimmen, als ich ihm gesagt habe, dass die 20.000 von Dresden wohl kaum mehrheitlich diese Positionen unterstützen – die unter anderem eine Aufstockung der Betreuungsausgaben für Asylbewerber fordern. Dem Facebook-Nutzer habe ich noch geschrieben, dass man unter so ein Positionspapier Namen schreibt, und dass man sie vor den Demonstranten verlesen muss, um deren Zustimmung einzuholen. Beides hat er nicht eingesehen. Ihm reichte es, wenn das PDF irgendwo anonym auf einem Server herumliegt. Ich hatte mir dann ein eigenes PDF mit „Pegida“-Positionen erstellt; das ist aber nicht zum Einsatz gekommen. Dem Facebook-Nutzer habe ich noch vorgeschlagen, das Positionspapier in Dresden zu verlesen und sich dafür auspfeifen zu lassen. Er solle die Kamera laufen lassen. Mich hat dann aber kein derartiger Film erreicht… Als dann schließlich doch Positionen auf der Dresdner Demonstration verlesen wurden, waren sie stark zusammengeschrumpft und die Aufstockung der Gelder für Asylsuchende ganz überraschend verschwunden.
Warum ich so auf diesen Positionen und ihrer Unterstützung beharrt habe? Weil offensichtlich war, dass es gar kein gemeinsames Programm geben konnte, auf das sich die Demonstranten von Dresden einigen könnten. Rechtskonservative, paranoide Islamhasser, Verschwörungstheoretiker und Neonazis können anscheinend ein paar Wochen oder sogar Monate gemeinsam „spazieren gehen“. Aber sie können keinen Forderungskatalog aufstellen und sich damit an die Öffentlichkeit wenden. Darum ist ja auch sehr lang beides ausgeblieben: Der Forderungskatalog, den die Demonstranten durch ihren Applaus auch tatsächlich zu dem ihren machen, wie auch der Dialog mit der Öffentlichkeit, deren Vertreter, die Presse, stattdessen beleidigt und teilweise körperlich attackiert wurde.
Anfangs konnte so jeder in „Pegida“ hineinprojizieren, was er wollte. Der Anhänger bei der Wikipedia fand zum Beispiel, dass „Pegida“ nicht nur gegen den Islam sei, sondern grundsätzlich antireligiös. Bis wir ihm die Bilder von schwarz-rot-goldenen christlichen Kreuzen gezeigt haben, die bei „Pegida“ gezeigt werden. Woraufhin er kleinlaut meinte, es wäre „areligiös“. Der Berliner Demonstrant verstand unter „Lügenmedien“ erstmal die „taz“ und die „heute show“, während viele, wohl die meisten der Mitdemonstranten pauschal alle großen Medien in diesen Topf zu werfen scheinen. Und weil sie das so sehen, mussten sie ja praktischerweise auch den Medien gegenüber nichts Verwertbares formulieren.
Doch irgendwann wird selbst dem Dümmsten klar, dass man durch allmontägliche Spaziergänge die Welt nicht in seinem Sinne verändert. Schließlich hat sich Kathrin Oertel in eine Talkshow gesetzt und dort die nicht rechtsextreme Seite von „Pegida“ vertreten. Kurz darauf wurde das menschenverachtende Weltbild von Lutz Bachmann öffentlich. Und kaum hatten sich die Richtungen gezeigt, wurde ihre Unvereinbarkeit offensichtlich und „Pegida“ zerbrach. Kathrin Oertel konnte nicht einmal 1000 Dresdner mobilisieren, aber auch Lutz Bachmann versammelte nur noch 2000 Demonstranten und damit ein Zehntel derer, die mal durch Dresden gelaufen waren.
Ich weiß nicht, wie lang noch gegen den vermeintlichen Untergang des Abendlandes auf die Straße gegangen wird. Aber der Höhepunkt ist definitiv weit überschritten. „Pegida“ ist tot. Es lebe die Demokratie.
Doch die Menschen, die bleiben natürlich.
Und dieser Blog, er ist nicht überflüssig geworden.
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